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bio-psychisoziales Modell

von: Christoph Fischer

Jeder Mensch durchlebt bei Schicksalsschlägen eine Trauerphase, bei der Mehrzahl klingt diese Trauer nach einiger Zeit wieder ab, nur ein Teil erlebt aber eine depressive Episode. Bei etwa 50% davon kommt es zu wiederholten depressiven Episoden, selten treten auch biphasische Verläufe auf.

Worin unterscheidet sich die normale Trauer-Reaktion von der depressiven Episode?

Im Gegensatz zur Trauer ist beim Depressiven das Selbstwertgefühl stark beeinträchtigt. Des weiteren sind bei depressiven Episoden die Intensität und die Dauer der Reaktion gegenüber der Trauer verlängert. Übergangsbereiche werden auch als pathologische Trauer bezeichnet.

Was entscheidet, ob eine natürliche Trauerreaktion oder eine depressive Episode entsteht?

Die Genforschung hat einen Polymorphismus in der 5HTTP-Promotorregion als eine  mögliche Ursache gefunden. Es ist anzunehmen, dass es noch weitere Polymorphismen gibt, der hier vorgestellte gibt einen exemplarischen Einblick in das „Wie und Warum“. In der 5HTTP-Promotorregion existiert ein kurzes (engl. S wie short) und ein langes (engl. L wie long) Allel. In der Bevölkerung tragen etwa 16% ein homozygotes S/S Allel. Das L-Allel bewirkt gegenüber der S-Variante eine fünfmal stärkere Freisetzung von Serotonin, letzteres übt u.a. einen hemmenden Einfluss auf das Angstzentrum des Mandelkerns aus. Dies erklärt die Wirkung von SSRI auch auf Panikstörungen. Serotonin hat aber auch andere Wirkungen: Blutdruckanstieg Herzrasen, Unruhe, Durchfälle beispielsweise, deshalb ist die Erhöhung der Serotoninspiegels im Körper ein zweischneidiges Schwert.

Sind Träger des homozygoten S-Allels von Geburt an depressiv?

Träger der S/S-Allel-Kombination sind primär nicht depressiv, aber sie werden als ängstlich, hypochondrisch beschrieben, erst eine schwere psychische Belastung führt zum Ausbruch der Depression.

Was sind die typischen Auslöser einer depressiven Episode?

Verlust eines Partners, des Arbeitsplatzes, existentielle Bedrohungen, narzisstische Kränkung. Als die drei wesentlichen Säulen innerer Balance können der Bildungs-/Arbeitsbereich, die früheren und besonders die gegenwärtigen Beziehungen und die Beziehung zu sich selbst gesehen werden. Ist davon eine oder mehrere Säulen irritiert oder bedroht so kann der psychische Apparat überfordert werden und ein adäquater Umgang und Lösungsprozess ist vorübergehend oder auf längere Sicht hin nicht mehr möglich. Bei wiederholten depressiven Episoden genügen als auslösende Belastungssituationen meist geringfügige Kränkungen, und scheinen bei längeren Verläufen oft ganz zu fehlen. Dieses Phänomen bezeichnet man als Bahnung. Mehrfach wiederholte Abläufe werden im Rahmen der neuronalen Plastizität durch verstärkte neuronale Vernetzung erlernt, derselbe Mechanismus liegt dem Schmerzgedächtnis zu Grunde.

Die frühere Unterscheidung in reaktive und endogene Depression ist überholt, das Bio-Psycho-Soziale Modell erklärt nun, dass beides dieselbe Erkrankung in verschiedenen Stadien ist.

 

Literatur:

H. Bachler, C. Fischer, ALLGEMEINMEDIZIN Leitfaden für Famulatur, AM-Seminar, KPJ und Turnus Herausgegeben von der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin 2012